Der Like-Button
Das hat recht früh Mark Zuckerberg erkannt und seine erste und entscheidende Killer Applikation programmiert, die letztendlich Facebook zum Wachstums-Rocketship gemacht hat: Der „Like“ Daumen als Zustimmungs- und Empfehlungsbekundung ist komfortabel, schnell, unkompliziert und so simpel, dass wirklich jeder User damit zum Empfehler bzw. zum Ziel der Empfehlung werden kann. Dazu ist weder ein Abitur erforderlich noch sonstige intellektuelle Fähigkeiten. Selbst Analphabeten können theoretisch damit eine Empfehlung abgeben. Und weil der Like Button eine so kraftvolle Marketingmechanik unendlich schnell skalierbar gemacht hat, wurde er auch zur Goldader für die erst später entwickelte Monetarisierungsstrategie von Facebook. Der Like Button gilt also zu Recht als der Urvater des User generated Contents mit einem entscheidenden Vorteil gegenüber sämtlichen evolutionären Nachfolgern auf den verschiedenen sozialen Plattformen: Es gibt ihn nur in der Zustimmungsvariante. Ablehnen ist nicht. Obschon immer mal wieder kolportiert wird, dass Facebook einen Dislike Daumen bringt. Aber das wäre fatal für die wirtschaftliche Grundmechanik des Marketinggeschäfts von Facebook und würde zudem die grundsätzlich positiv gestimmten Plattformziele konterkarieren. Also wird erst der Mond viereckig und danach kommt der Dislike Button. Versprochen.
Brand Safety first
Womit wir auch schon beim Problem mit dem User generated Content wären. Denn solange der vom Kunden produzierte und veröffentlichte Inhalt keinem weh tut, ist die Welt in Ordnung. Aber die Unwägbarkeiten des menschlichen Ausdrucks in Kombination mit dem Schmetterlingseffekt kann Marketingtaktiken auf Basis von User generated Content zum Ritt auf der Klinge werden lassen. Selbst professionelle Influencer sind nicht vor Missverständnissen gefeit und Ironie sowie Satire als spitze Klingen des literarischen Degens brauchen Raum, den kurzlebige Social Media Newsfeeds nur selten geben. Das haben etliche Verfasser zunächst gut gemeinter Tweets schmerzlich erfahren müssen.
Das Wirkprinzip von User generated Content und die damit verbundenen Risiken ist dabei nichts Neues. Die Kollegen aus der Public Relations Branche sind damit seit Jahrhunderten vertraut. Schließlich geht es um die Gewinnung einer Empfehlung durch eine in ihrer physischen Existenz objektiven und authentischen Instanz: dem Journalisten. Das gelingt allenthalben. Aber eben auch nicht immer. Und genau an dem Punkt teilen sich Content Marketing Manager und PR-Fachleute das Leid der Nicht-Reaktion bzw. Gegenreaktion des angesprochenen Adressaten. Zum Glück gibt es zumindest in der digitalen Welt einen Strauß an Marketing Technologie für die automatisierte Identifizierung, rechtskonforme Kuratierung und Syndizierung in gewünschte Kanäle. Allerdings gilt es, noch ein paar entscheidende Probleme bei der Automatisierung dieser wiederkehrenden Prozesse zu lösen, die unter den Begriffen „Brand Safety“ und „Trolling“ bekannt sind. Grundsätzlich geht es dabei um die Trefferquote in der Sentiment Analyse. Denn nur eindeutig zuordnungsbare Positive oder Negative User generated Contents können automatisiert erfasst und weiterverarbeitet werden. User Statements wie „Scheiße, wie geil ist das denn.“ bringt aktuelle künstliche Intelligenz schnell an ihre Grenzen und somit wird dann auch schnell klar, welche Komplexität das Thema User generated Content erreichen kann. Brand Safety ist darüber hinaus nicht nur eine Frage von Sentiments, sondern auch von wem und wo und mit welchem Hintergrund welche Inhalte publiziert wurden. Ein noch so gut gemeintes Lob übers Unternehmen und seine Marken mag zwar ein positives Sentiment Attribut haben, wird aber zum kommunikativen Bumerang, wenn es auf der Website einer rechtsradikalen Organisation geäußert wurde. Es gilt also, Unmengen an Attributen in Kombination rund um User generated Content zu checken, bevor man sich aufmacht, die weltweite Digital-Community vor seinen Werbekarren zu spannen.
"Bild Dir deine Meinung." war gestern
Selbst der viel geforderte und teilweise zu Recht gelobte Facebook Faktencheck ist nicht vor MarTech basiertem Trolling gefeit. Ob eine Nachricht oder ein Inhalt wirklich der Wahrheit entspricht, können Data Miner oftmals nur an statistischen Metriken erkennen. Wer das weiß, setzt auf Masse und Timing und zwingt damit sogar die stärkste künstliche Intelligenz beim Erkennen von Fraud ins Schachmatt. Die von der Plattform Open-AI entwickelte Textgenerierungssoftware GPT-2 bzw. GPT-3 hat zunächst bei den Entwicklern rund um Elon Musk Bedenken ausgelöst, dass solch eine Marketing Technologie User generated Fake News in ungeahntem Ausmaß produzieren und publizieren könnte. Zum Glück sind diese Befürchtungen nicht wahr geworden, weil die kreative Fähigkeit, Texte zu spinnen nach wie vor begrenzt ist. Aber menschliche Troll-Farmen sind keine fiktionale Erfindung aus den Blacklist Drehbüchern rund um Raymond Reddington. Sie sind durchaus real tätig im Rahmen geopolitischen Säbelgerassels wie auch im kommerziellen Auftrag des Meinungsmachens. „Bild dir deine Meinung.“ war gestern – „User generated Content macht Meinung." ist heute. Und morgen erst recht!