Schon immer ist der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg eine geglückte Wette auf die Zukunft. Das gilt für alle Arten von Geschäft, und damit auch für die Tourismus Industrie. Nur scheinen hier die Gräben zwischen Vorhersage und Realität deutlich größer als in anderen Branchen. So wurde der drohende Untergang zweier Großkonzerne im Veranstaltergeschäft zunächst mit „to big to fail“ kommentiert, bevor sich immer klarer ein Bild davon abzeichnete, dass die Strippenzieher im Elfenbeinturm eher im Finanzroulette gezockt haben, als sich tatsächlich mit Gästen und deren zukünftigen Reisewünschen auseinander zu setzen. Dann kam Corona und wer das voraussehen konnte, hat hellseherische Fähigkeiten. Mit Corona kam auf einmal Zeit, kritisch über den Status Quo nachzudenken. Das wiederum hat zur erneuten Proklamation des „Untergangs der Reisebüros“ und natürlich auch der vor Corona noch so beliebten Reisearten der Pauschalreise sowie der Kreuzfahrten geführt. Entsprechend rauschten Aktienkurse in den Keller, OTAs bekamen unverhofft Vorschußlorbeeren für die Zeit nach Corona und die digitale Bühne für technologische Innovationsprediger wurde von Blockchain bis KI quasi rund um die Uhr mit den neusten Gamechangern für eine Zukunft im Tourismus bespielt.
Angekommen im Jahr 2024 haben wir nun einmal mehr diese und zahlreiche weitere geopolitische Krisen im internationalen Tourismus gemeistert. Angekommen auf dem Boden der Realität und im Abgleich mit unseren „Wetten auf die Zukunft“ ist folgendes Resümee zu ziehen: Reisebüros sind immer noch da und die erfolgreichen haben sich geschickt in die eigene Zukunft manövriert. Bei den OTAs fragt man sich, ob das zugegeben umsatzstarke Geschäft mit den Reisen nicht eher ein Finanzbusiness rund um Liquidität, Arbitrage und Cash Flow ist, was wiederum den Untergang und die Wiederauferstehung eines der größten OTAs im deutschen Markt erklären würde. Last but not least sind nicht nur die geparkten Flugzeug-Flotten zurück im angestammten Umlauf, sondern auch viele der weiterhin Todgesagten erfreuen sich eines vitalen Lebens. Die Pauschalreise erlebt eine Renaissance im Massentourismus, und das sogar bei steigenden Preisen und damit Sicht auf profitable Margen für Leistungserbringer wie auch Vertrieb. Kreuzfahrtkonzerne erfreuen sich eines veritablen Comebacks und die per Lippenbekenntnis so oft verschmähten All-Inklusive Destinationen steigen wie Phönix aus der Asche auf zu ungeahnten Besucherrekorden. So schafft es die Türkei mittlerweile auf Platz eins der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen – und das sogar mit Erdogan an der Spitze, einem angrenzenden Kriegsland im Osten und fernab jedweder ökologisch nachhaltigen Anreisemöglichkeit. Wer hätte das gedacht?
Die Welt dreht sich natürlich rasant schnell. Aber vielleicht doch nicht ganz so schnell, wie uns der ein oder andere Tech-Guru glauben lassen will. Das Ausharren in der Komfortzone des Bekannten ist ein nicht zu unterschätzender Habitus, der gerade die touristischen Wertschöpfungsketten im Quellmarkt Deutschland maßgeblich beeinflusst. „Was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht“, so eine alte Bauernregel, die nur wenig ihrer Gültigkeit bis heute verloren hat. Trotzdem schleicht sich natürlich hier und da ein Sproß der Veränderung in das Reisegeschäft, den es gilt zu erkennen, zu erobern und zu besetzen. Der Trend zum mobilen Reisevertrieb zum Beispiel, hat beharrliche Unternehmer zu erfolgreichen Unternehmern im Reisevertrieb gemacht, während allzu futuristische Tech-Evangelisten mit ihren „Vertriebsformen der Zukunft“ doch eher ins Straucheln geraten sind. Die „Wette auf die Zukunft“ in der Touristik ist also deutlich vielschichtiger und keinesfalls ein „lucky moon shot“, wie es sich Richard Branson, Elon Musk und Jeff Bezos gedacht haben. Vielmehr ist es in diesem Markt angezeigt, Strömungen und Resonanzmuster zu erkennen und mit viel Empathie, statt von Beratern gepredigter „Kundenzentrierung“, die dazu passenden Angebote zu entwickeln. Denn echte Gastfreundschaft kommt von Herzen und das merken Gäste – egal welcher Klientel.