Jeder Kunde war mal ein Lead. Deshalb gelten Leads als das Öl des automatisierten Marketing Engineerings. Doch während die großen Lead-Generatoren der Tech Giants nicht müde werden das Ende der Third Party Daten zu verkünden, ist der Ruf nach First Party Data zwar verstanden – aber wie soll das gehen? Und wer soll das bezahlen?
Eigentlich ist es schon etwas paradox und schizophren zugleich: Erst verspricht die schöne neue digitale Welt den Marketing-Verantwortlichen mehr Insights, mehr Customer Centricity und vor allem mehr Daten und dann verabschiedet sich man im Kollektiv von der Preis- und Weitergabe. „Im Namen des Datenschutzes“ wird dieser Koitus Interruptus der international organisierten Mediamaschinerie betitelt. Dabei war Datenschutz bis dato nie ein treibender wirtschaftlicher Faktor bei FANG Stocks Unternehmen. Es steckt also sicher ein anderer zwingender Grund im angekündigten Rückzug aus dem Geschäft mit den Kundenadressen. Scheinbar war die Wertschöpfungsquelle von längst überholten Media-Dekontaminierungsstrategien am Ende doch zu ertragreich, als dass man sie zugunsten neuer Effizienzen abschaffen sollte. Der gute alte „Streuverlust“ ist halt ein monetarisierbares Ertragspotenzial, so lange die Kundschaft lieber weiter macht wie bisher, statt Marketing neu zu denken.
Datenschutztechnisch ist gar nichts verwerfliches an Third Party Data. Schließlich werden da keine personalisierten Adressen übergeben, sondern Zielgruppen eben nur im Targeting weitgehend eingeschränkt. Das wiederum schränkt auch die damit einhergehenden Spendings ein bzw. macht sie treffsicherer. Das wiederum will der Werbetreibende, aber eben seine Mitspieler aus Medienmakler und Publisher nicht wirklich. Schließlich geht es ums Geld und da hört bekanntlich die Freundschaft auf. Wir werden uns also abfinden müssen mit dem Umstand, dass auch in diesem Geschäft Wein gepredigt und Wasser getrunken wird. Wer will schon Effizienz durch digitale Möglichkeiten, wenn der Platz in der Komfortzone noch die nächsten Jahre warm und trocken gehalten wird? Was dem suchenden Marketing-Entscheider bleibt, ist mitnichten das laustarke Anprangern dieser kapitalistischen Opportunitäts-Strategie. Clevere Marketing-Verantwortliche denken lieber über Lead Generation 3.0 nach. What‘s next? Und damit einhergehend die Frage, wie eine effiziente First Party Data Generation Strategie eigentlich unter Economy-of-Scale Gesichtspunkten aussehen müsste? Anleitungen dazu gibt es wahrlich genug im Netz. Nahezu jeder Consulting-Dienstleister und natürlich nicht zu vergessen die Agenturgilde hat „das nächste große Ding“ in der Lead Generation entdeckt und scheut nicht, diese bahnbrechenden Erkenntnisse per Whitepaper, Use Case oder gar Playbook zu teilen. Kostenlos natürlich. Im Tausch gegen First Party Data des Nachfragers und Buzzword-Regen inklusive für die nächste größte Lösung aller Zeiten. Für eine erfolgreiche Kommunikation mit den Kunden von Morgen, den wirklich einzig wahren Hebel für ungebremstes Wachstum. Und den Markenerfolg. Und den Umsatz, Absatz auch. Im digitalen Rausch lobt sich schnell der nächste Hot Shit aus, keiner kommt dran vorbei weil’s eh schon jeder macht – naja aber auf der Agenda steht es schon. Branchenkenner, Experten und bis zum Anschlag studierte Superhelden lassen in ihrer Verzweiflung jede dieser Buzzword-Attacken im Thema Lead Generation so richtig steil gehen und schwören etwas, was am eigenen Leib und in der eigenen Agentur noch nie funktioniert hat oder gar ausprobiert wurde. Schließlich ist einem das (weiße, enge) Hemd doch näher als die Hose und wer will es nicht, das Versprechen nach dem „Geldverdienen im Schlaf“? Marketing scheint nur noch akzeptiert, wenn’s jemand gemessen hat und ein Pfund Big Data zur Ableitung von Lookalike Audiences gratis obendrauf kommt. Aber was ist an einem solchen Neotracking bloß so viel spannender, als eine Zielgruppe mal mit etwas zu verführen, was sie auch wirklich will? Das Rendezvous mit ihr immer wieder neu erfinden, Themen und Marken interessant zu machen und dafür zu sorgen, dass sie es bleiben. Nach den alten Tugenden der Reklame. Das galt mal als kompetent. Bis die Generation Z kam und von Work-Life-Balance sprach, wahnwitzige Investments für vermeintliche Unicorns einsammelte und vor der nächsten Fundraising Kampagne erst mal ein Sabbatical einlegen. Auftanken muss schließlich sein und die Reihenfolge wird ja auch im Studiengang Marketing/Entrepreneurship so vorgegeben.
Hauptsache man macht irgendwas mit Digital und Marketing. Die hohe Kunst aber, über die Generierung von Leads in Zeiten automatisierter Marketing-Technologie nachzudenken, scheint irgendwie in der Komfortzone stecken geblieben zu sein. Klar – Inbound und Content Marketing bleibt erst mal oben auf der Trendliste, während sich Outbound und Advertising seiner Wurzeln besinnt und es mal wieder mit Schrot-Salven ins breite Konsumentenfeld versucht. Die Medien(häuser) schenken dem Ganzen ein müdes Lächeln, statt die schon lange geforderte Transparenz und überbringen ihre frohe Botschaft vom Wegfall der Third Party Daten geschickt durch ihre hauseigenen Vermarkter auf den Rücksitzen der patrouillierenden schwarzen Limousinen. Ein fulminantes Comeback der Banner-Dinos ist zu befürchten. Es sei denn, der ein oder andere brennt noch für echte Reklame.
Was war das mal eine coole Sache. Marketing hat sich selbst manch alten Wert ausgelutscht. Übrig geblieben sind Worthülsen, präsentiert auf den Folien der Consulting-Klone. Beides gleichermaßen austauschbar mit einer Raute vorweg und in engen weißen Hemdchen. Kaum einer dieser digitalen Agentur-Wellenreiter stellt sich dem Anspruch empathisch zu sein, können aber alle die Benimmregeln für eine erfolgreiche Social Media Strategien im Schlaf runter beten. Wehe wenn da einer mal frei über etwas reden soll, was er zwar gelernt aber nimmer verstanden hat. Dann wird’s wieder eng bei der Gegenüberstellung von der „macht man halt so“ Disziplin zu unternehmerischer Kompetenz, die in sich ruht. Die dann gerne genutzte Restchance solcher Luftpumpen ist ein Dauerfeuer mit modernen Begriffen und auswendig gelernten Leadership Principles. Zugeben findet aber das seine Zielgruppe. Denn die Welt ist oftmals einfacher also gedacht, womit wir wieder bei der gesuchten First Party Data Strategie wären, die bezahlbar ist. Und effizient. Automatisiert natürlich auch.
Schließlich geht es um Wachstum und „Geldverdienen im Schlaf“. Das ist in einer recht einfach gestrickten Realität tatsächlich machbar, denn keine Evolutionsstufe kommt ohne die vorherige aus. Also wird ausprobiert, was das Zeug hält. Kostenloses Wissen, E-Books und sogar ein Starbucks-Gutschein für einen „iced white chocolate Mocha“, wenn man doch nur auf „Termin buchen“ drückt, seine First Party Data in die angeschlossene Customer Data Management Plattform eingibt und sich bereit erklärt, einem Gen-Z Junior Berater zu lauschen, während er einem die Geheimnisse der automatisierten Lead Generierung runter betet. Schade nur, dass spätestens in der Vollkostenrechnung bei der Content Produktion jeder Durchschnitts-Controller auf ein Ungleichgewicht von teuren Lead Magneten und wenig qualifizierten Leads kommt. Dann kippt wieder eins der digitalen Kartenhäuser und die digitalen Buzzwords werden auf die Anklagebank verwiesen, während zuvor ganze Unicorn-Skylines mit den Inbound- und Data-gestützten Wachstumsaussichten gezeichnet wurden. Vielleicht regelt es die Zeit selbst, dass man sich noch mal auf Substanz besinnt. Noch gehen sie alle ab im Hipster-Vollbad auf möglichst viel Drumherum.
„If you can´t convince them – confuse them“ zieht. Und eine nicht unerhebliche Kundschaft an Marketing Fachkräften liebt es. Übrigens genauso wie die allgegenwärtigen Influencer, die in keiner First Party Data Strategie fehlen darf. Diese Evolution der Milchmädchenrechnungen im Bereich der Lead Generation ist genauso so wenig zu erklären, wie man sich so inbrünstig selbstverliebt als Wachstumsinnovator 2.0 durch Influencer feiern kann. Kaum ein Branchenevent, der nicht Influencer als die neuen Superhelden der Lead Generation auf den roten Teppich und Logowand für Jedermann holt. Ob drauf abgedruckt oder davor abgelichtet – kickt das tatsächlich in Kombi mit übelster Chartmucke mehr als das Koks der 90er? Ja, doch - kleine Macke hatte die Branche schon immer. Aber warum so schmerzfrei in allen Belangen?
Wobei, die „Branchenelite 2.0“ kauft einem ja auch jeden als DJ ab, der sich einen stylishen Kopfhörer um den Hals hängt und in einer Shakira-Playlist hin und her klickt. Wer soll da noch Werte empfinden oder gar vermitteln? Was hilft, ist ordentlich feiern, dann bleibt auch nicht allzu viel davon hängen. Schon gar nichts, was wirklich zählt: Mut zu neuem Denken zum Beispiel.
Think social, solve it interactive. Natürlich braucht es Tracking, Performance- und Inbound-Marketing. Aber bitte mit Gefühl, denn da geht wirklich viel nach dem kulturellen Wandel durch Social Media. Natürlich digital und überall. Wer den Kram zu kombinieren weiß verführt die Massen und punktet beim Speed-Dating von Angesicht zu Angesicht. Geht aber nur mit Substanz, Bodenhaftung, Fleiß und Schweiß. Und Budget sowie Talent! Die wichtigsten Zutaten einer jeden First Party Data Strategie. Die bezahlbarste Taktik allerdings braucht nur eine zentrale Zutat: MUT. Mut, neues auszuprobieren und Mut, auch mal an den Rand jeglicher Datenschutzgrundverordnungen zu gehen. Schließlich sind die erwähnten Tech Giants mitnichten zu salafistisch anmutenden GDPR-Evangelisten konvertiert. Kundendaten schützen zu wollen ist zwar ein notabler Grund Third Party Data abzuschaffen, der wahre Kern der Dinge liegt aber im Profitabilitätsdruck investorengetriebener Geschäftsmodelle rund um das Business mit der Werbung. Wer diese Erkenntnis akzeptiert, tut gut daran das eigene Handeln ein wenig opportunistischer auszurichten: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wobei für die Tech-Giants sogar mitunter gilt: Bis der Richter spricht, haben wir was wir wollen… Mit diesem Ansatz lassen sich definitiv First Party Data Strategien, Maßnahmen und Aktivitäten entwickeln, die bezahlbar, rechenbar und vor allem nachvollziehbar Leads generieren. Und das Beste zu Schluss: Sogar automatisiert im Inbound ebenso wie im Outbound und Intrabounding. Alles eine Frage des Machens – und nicht des Zögerns.