Seit Jahren predigen Verbände wie auch Berater verschiedenster Couleur gebetsmühlenartig die Herausforderungen eines sich rasant wandelnden Geschäfts. Gerade die angestammten touristischen Player im Veranstalter Business sehen sich neuen Zielgruppen und Erwartungen wie auch digital transformierten Wettbewerbern gegenüber. Die daraus resultierenden strategischen Optionen sind eigentlich überschaubar, und trotzdem gibt es nach wie vor ein großes Verharrungspotenzial in der tradierten Komfortzone. Warum das so ist, erklären wir hier…
Too big to fail?
Die erste strategische Fehlannahme ist, dass Menschen immer Reisen und somit also auch immer ein großes Bedarfspotenzial am Markt vorhanden ist. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber Bedarf ist nun mal nicht gleich Bedarf. Natürlich reist auch die Gen-Z gerne, aber eben völlig anders als die Traditionals, die Babyboomer oder auch die Gen-X. Das spiegelt sich allerdings nicht im Angebot der Reiseveranstalter wider, denn hier wird nach wie vor das angeboten, was „immer schon gut lief“. Garniert von ein paar taktischen Pseudo-Innovationen wie „dynamischem Paketieren“, oder ähnliche Nebelkerzen, die eh kein Gast so richtig versteht und deshalb auch allmählich in der Schublade der marketingtechnischen Bedeutungslosigkeit versinken.
Die zweite strategische Fehlannahme besteht in der Arroganz der Big Player, Systemrelevanz für sich zu beanspruchen. Die Zeiten, da 1000+ Arbeitsplätze aber noch politischen Impact bei der nächsten Wahl hatten, sind schon längst vorbei. Und auch die steuerliche Last bei einer drohenden Rückholaktion schreckt keine Regierung heute wirklich. Zumal wir aktuell die Assekuranzhaftung angepasst haben. Das hatten sich einige Großkopferte bei Thomas Cook anders gedacht und bei der FTI bestimmt auch, bevor sie auf dem Boden der Realität aufgeschlagen sind.
Der allmähliche Verfall der Margen
Keine Fehlannahme, sondern eher Resultat daraus ist ein stetiger, wenn auch schleichender, Verfall der Margen im Veranstaltergeschäft. Das wiederum wollen viele der Altmeister der Branche nicht sehen und wahrhaben. Schließlich ist man ja wohlhabend bis steinreich mit dem Geschäftsmodell des Reiseveranstalters geworden. Warum sollte das also ein Ende haben?
Doch werfen wir erst mal einen Blick hinter das so rühmliche Geschäft als gutgelaunter Organisator für die schönste Tage im Jahr des Arbeiters. Angefangen hat es nämlich oftmals aus einer Laune heraus, nicht nur seine Friends & Family, sondern auch weitere nette Leute´ auf die ein oder andere Reise mitzunehmen. Das war nicht nur lustig, sondern sorgte auch für Freiplätze für sich selbst und später dann sogar für auskömmliche Provisionen von den hochprofitablen Leistungsträgern in den Destinationen, die mit aufkommendem Wachstum jeden neuen Vertriebskanal mit offenen Armen empfangen haben. Das klappte in der Wirtschaftswunderzeit mit griechischem Inselhopping genau so gut wie als Sport-Student, der seine Kommilitonen mit zur Ski-Sause in die österreichischen Alpen genommen hat. Was damals keinen Gedanken wert war, würde allerdings heute jeden Businessplan für ein solches Geschäftsmodell zu Fall bringen. Zum Glück hat sich also „in den guten alten Zeiten“ niemand verletzt, alle Busse, Züge und Flieger sind heil angekommen und weder der Begriff Veranstalterhaftpflicht noch Reisesicherungsfonds waren auf dem unternehmerischen Radar der angehenden Selfmade Millionäre im Reisegeschäft.
Mit einem solch gestählten Ego ist man(n) eingestiegen in die Geschäftswelt und zunächst schien der Reisewunsch unstillbar. Wachstum war eine Frage der Bedarfsdeckung und aktiver Vertrieb eigentlich gar nicht nötig. Trotzdem blieb genug Marge hängen, um auch noch weitere Mittelmänner in der Wertschöpfungskette teilhaben zu lassen. Von DMCs über Incommings bis hin zu stationären wie auch digitalen Vertriebsformen entstanden komplexen Wertschöpfungsketten, die allerdings wenig (Mehr-)Wert mit Innovationen schufen, sondern lediglich die bestehenden Margen mitnahmen. Und diese Margen sind dann auch streng nach dem akademisch bekannten „Law of Economic Gravity“ langsam aber sicher verfallen.
Satt sich mit diesem allmählichen Verfall der Profitabilität im Wettbewerb aber nachhaltig auseinander zu setzen, wurden viel lieber betriebswirtschaftlichem Stilblüten produziert. Der eine Veranstalter vergrößerte einfach schneller sein Angebot und setzte damit sein Schwungrad mittels 2-sided Network Effect in Gang. Das funktioniert ebenso kurzfristig gut, wie Economics of Scale oder auch ein vertikaler und/oder horizontaler Ausbau der Wertschöpfungskette. Die einzelne Marge jedoch im Kerngeschäft betrifft das nicht. Die fiel und fällt weiterhin unaufhörlich. Bis zu dem Zeitpunkt, wo das reine Veranstaltergeschäft ohne eigenen Vertrieb, ohne eigene Leistungsträger in den Destinationen und ohne massive Marketinginvestitionen nicht mehr darstellbar war. Aber hier übernahmen dann die Rodeo Cowboys das Geschäft, die tote Pferde reiten können, als gäbe es kein Morgen.
Betriebsblind erkannten die wenigsten, dass aus dem eigentlichen Geschäftskern nicht mehr viel heraus zu holen ist, und leiteten eine Transformation hin zu einem reinen Finanzdienstleiter ein. Cash Flow, Liquidität und laufend positive Kohorten sind magische betriebswirtschaftliche Faktoren, die heute smarte Start-Up Einhörner im Payment entstehen lassen und vor ein paar Jahren / Jahrzehnten die ein oder andere Value Creation Version in der Tourismus Industrie beflügelte. Thomas Cook träumte diesen Traum und vielleicht ja auch die FTI. Schließlich klappte dieser neue strategische Approach ja auch bei ein paar Wettbewerbern. Nur kombinierten diese Wettbewerber ihren Playground geschickt mit konträren Geschäftsmodellen wie dem Lebensmittelhandel oder weiteren sprudelnden Einkommensquellen. Das war und ist der kleine, aber eben entscheidende Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg als Reiseveranstalter.
Die strategischen Optionen
Neben der Kombination des Veranstaltergeschäfts mit diversifizierten Wertschöpfungsquellen, um Liquiditätsmargen in Hochzinszeiten zu monetarisieren, bleiben nicht viel weitere Optionen. Das Setzen auf vertikales und horizontales Verbundwachstum verlangsamt zwar den Margenverfall, hält aber das Geschäftsmodell weiterhin auf der Via Dolorosa.
Die bauernschlauen Altvorderen jedoch wissen ja bekanntlich seit ewig schon wie es geht: Sie setzen auf „abmelken“. Was im Buzzword-Berater-Slang der Boston Consulting Group richtigerweise als „Cash-Cow“ Lifetime Circle definiert wurde. Da gilt also “Anhauen, Umhauen, Abhauen” und dazu mit jedwedem Opportunismus alles mitzunehmen, was man als Aasfresser der Touristik ergattern kann. Natürlich in Kombination mit einem Investitionstop der einem Ankerwurf gleichkommt. Die daraus resultierende Pressemitteilung über das „starke organische Wachstum“ bei gleichbleibenden Provisionen wie auch Prozessen verschweigt allerdings die den unvermeidbaren Weg ins Grauen unzureichender Ressourcen in der Abwicklung. Es ist also eine Frage der Zeit, wann wir erst eine Schwemme unzufriedener Gäste und deren Beschwerden auf Bewertungsportalen sehen werden, bevor dann die nächsten Veranstalter das Handtuch werfen, weil diese unbeantworteten Beschwerden zu massiven Kundenverlusten führen. Zugegeben ist das kein akutes Szenario, was morgen eintritt. Aber wie formulierte es Hemingway in seinem Roman „Fiesta“ so schön: Ein Bankrott kommt erst allmählich und dann ganz plötzlich.
Bis dahin bleibt es aber erst einmal ein Leidensweg, den die weitaus meisten Akteure unter den touristischen Veranstaltern noch gar nicht erkannt haben. Wer allerdings strategischen Rat und Tat jenseits bunter Marketing-Versprechen und bedingt helfendem Aktionismus braucht, der findet bei markenmut den richtigen Impuls für die Sicherung seiner Ertragskraft und Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit. Der Weg dorthin beginnt nur einen Anruf weit entfernt. Nur Mut!