Ein kreativer Ansatz ist zugegeben im Marketing nicht ganz der falsche Weg. Aber seit den Erkenntnissen der Geburtshelfer der Werbung wie David Ogilvy und William Bernbach daran nichts zu ändern, ist mehr als sträflich. Denn scheinbar wird „kreatives Marketing“ nach wie vor mit der teuren und nicht endenden Suche nach Aufmerksamkeit sowie dem Abbau von kognitiven Dissonanzen beim Kauf gleichgesetzt. Die Gilde der „Kreativen“ wird dabei nach wie vor zu „Heilsbringern im Wettbewerb“ stilisiert und ihre rar gesäten Treffer als „last legal unfair advantage“ gehyped. Das solch ein Geschäftsmodell rund um Eifersucht, Neid, Gier und Eitelkeit solange Bestand hat, hätte keiner gedacht. Aber das Marketing macht es möglich. Die Fachpresse schreibt seit Jahr und Tag über die gleichen Pitches bei periodisch Staffelstab übergebenden Marketingverantwortlichen, denn schließlich braucht Kreativität nicht nur auf Agenturseite immer wieder frisches Blut. Im Anschluss kommt dann drei Monate später das Branchenfeature über die neuste Kampagne, die mit frischen Kreativen und einem frischen Marketingverantwortlichen der Marke endlich mal wieder frischen Wind verleiht. Leider wird das zu 99% einer dieser Achtungserfolge, die marketingtechnisch deutlich besser intern (sowie beim Werbefestival in Cannes) verkauft werden als diese beim externen Publikum in heller und Pfennig gerechnet ankommt. Aber anyway – „Wir machen mal weiter“, so postete letztes Jahr ein Triumvirat führender Agenturmanager eines der größten Werbeholdings der Welt als Reaktion auf ein wohlwollendes Portrait der Agenturgruppe in einer dieser Fachpresse genannten Ego-Massage-Blätter. Scheinbar ist das aber kein Motto einzelner, sondern eher der bittere Ausverkauf des gesammelten Marketingwissens in den Kreativagenturen landauf wie landab. Doch was hat das noch gleich mit den datengestützten Marketingmodellen zu tun, die längst von den schnellwachsenden Tech-Giants aus dem Valley eindrucksvoll vorgelebt werden?
Natürlich ist es für jede Marke unerlässlich, sich von der Konkurrenz abzuheben, und hier kann kreatives, digitales wie auch Content-Marketing eine große Rolle spielen. Kreativem Marketing ist es dabei erst einmal herzlich egal, von wem die sogenannte Kreation kommt. Das ist kein exklusiver Playground von Agenturkreativen mit und ohne ADC (Art Directors Club)-Ausweis. Es geht vielmehr darum, sich kreativ zu engagieren, um klare und vorgegebene Ziele zu erreichen. Was wiederum heute weniger mit „es muss eine Headline her“ oder „es braucht einen exceptional Hook nach 5 sec. sonst skippt der User das Video“ oder oft gehört „am Ende holt es die Grafik aus dem Feuer“ daher kommt. Beim kreativen Marketing der Neuzeit reden wir eher von strategischem MarTech Wissen, taktischen Kombinationen aus Tech und Zielgruppenempathie sowie einer ausgewiesenen Engineering Kreativität a la MacGyver.
Verständlicherweise waren viele Unternehmen besorgt über die Hindernisse, die COVID-19 der Kreativität in den Weg zu stellen vermochte. Allerdings wurde dann vielerorts während der Pandemie ein Kreativitätsanstieg festgestellt. Zumindest gefühlt, denn es gab wieder mehr Zeit, sich zu fokussieren, statt in Meetingmarathons über kreative Lösungen zu reden. Aber warum ist kreatives Marketing so wichtig? Geht es im Marketing nicht vor allem um Strategie und Daten? Nun – um diese Frage zu beantworten müssen wir ein wenig strukturelle Vorarbeit leisten:
Was ist kreatives Marketing?
Kreatives Marketing ist eine Kombination aus mehreren Dingen. Es umfasst die Etablierung und das Verständnis einer Marke, das Wissen um die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Zielgruppe sowie das Finden von entsprechenden Resonanzböden rund um die anvisierten Zielgruppen. Um diese Art des Marketings optimal zu nutzen, muss ein Unternehmen seine Marke und seine Marketingbemühungen erst einmal aufeinander abstimmen. Nur so wächst man mit Erfolg.
Was ist kreativ? Design, Musik und Kunst? Sicher – aber in unserem Thema reden wir eher von Kommerz-Kunst. Also der Kommerzialisierung von Kreativität, um Produkte, Dienstleistungen oder Marken eines Unternehmens mittels Marketing so zu positionieren und kommunizieren, dass Nachfrage und Bedarf entsteht. Zu diesem Zweck werden die wirksamsten Elemente von Kreativität und Marketing miteinander kombiniert. Der Aufbau einer starken Identität für eine Marke, die Nutzung großartiger Inhalte (nicht nur Blogs, sondern auch Videos, Podcasts und mehr) sowie die Vermarktung Ihrer Dienstleistungen oder Produkte können dazu beitragen, kreativ zu sein. Das Gleiche gilt für die Berücksichtigung der Customer Experience im Rahmen gewünschter Absatz- und Umsatzsteigerungen.
Dabei funktioniert Kreativität nie allein. Eine kreative Marketingkampagne kann, sollte und wird nicht ohne die wichtigen Daten und Analytics funktionieren, die das Fundament für einen Erfolg in harter Währung legt. Kreativität, Strategie, Automation und Tech gilt es also zur Allchemie des kreativen Marketings zu mixen und mit querdenkenden Impulsen zum kreativen Highflyer zu avancieren. Meist betitelt dann die Branche solche außergewöhnlichen Kombinationen aus Kreativität und Daten mit dem Begriff „Guerilla Marketing“. Doch diese schwer zu definierende Methode beruht weitgehend auf dem Überraschungsmoment, dem Erregen von Aufmerksamkeit und der unerwarteten Störung (im positiven Sinne) eines Publikums. Das ist zugegeben schon mal die halbe Miete einer erfolgreichen Marketing Aktivität, ist aber nicht bis Ende – also zum Kauf – gedacht. Eine gut durchgeführte Guerilla-Marketing-Kampagne ist originell, fesselnd, teilbar und kann die Reichweite einer Marke erhöhen. Der entscheidende Punkt ist aber die Konversion zum Kauf und daran scheitert dann auch die Definition von kreativem Marketing, wenn man den Kern des Marketingnutzens aus den Augen verliert.
Warum ist kreatives Marketing wichtig? Und Daten auch?
Im digitalen Zeitalter benutzt der Durchschnittsmensch mehrere Interfaces - in der Regel ein Smartphone, einen Laptop oder ein Smart-TV - manchmal sogar schon vor dem Frühstück. Diese verstärkte Nutzung bidirektional sendender Devices führt dazu, dass man Tausenden von Werbebotschaften ausgesetzt ist, so dass eine differenzierte und aufmerksamkeitsstarke Ansprache von entscheidender Bedeutung sein kann. Kreatives Marketing kann dieses Rauschen durchbrechen. Und je höher der Mut, desto lauter und aufmerksamkeitsstarker kann es werden. Mut ersetzt insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen oftmals das fehlende Budget. Mut sticht Mammon – diese Gleichung hat so grandiose Marken wie True Fruits oder auch Ben & Jerrys Icecream wachsen lassen. Wobei Ben & Jerrys nicht mutig ist, sondern direkt die ganz großen gesellschaftlichen Themen für sich in Anspruch nimmt. Als Marke, die sich selbst als „Activist company that happened to make ice cream“ beschreibt, geht es in deren Marketing mehr politisch als kreativ zu. Was wiederum auch eine kreative Idee ist, die datentechnisch durchaus als erfolgreich angesehen werden kann. Wenn man also Kreativität effektiv in Marketingmaßnahmen und -kampagnen einbindet, haben Werbebotschaften eine immens größere Chance im Gedächtnis der Zielgruppe verankert zu bleiben. Genauso wie mit der richtigen Daten- und Insights-Grundlage diese wichtigen Botschaften eine memorable Geschichte erzählen und bei der richtigen Zielgruppe in Erinnerung bleiben. Dies gilt unabhängig davon, ob sich kreative Marketingaktivitäten auf klassische Kampagnen, Promotions oder gar digital-only Marketing konzentriert. Daten sollten in eine schöne schriftliche Erzählung umgewandelt werden, die dann in ein fesselndes visuelles Konzept umgesetzt wird. Die Quintessenz? Kreativität ist gleichbedeutend mit Originalität. Ohne Originalität ist es unwahrscheinlich, dass Aufmerksamkeit geweckt wird, Emotionen entstehen und die Identität einer Marke wirklich wunschgemäß positioniert und etabliert werden kann.
Ideen für kreatives Marketing
Der Prozess der Ideenfindung sieht für jedes Team anders aus und kann sogar von der Art jeder einzelnen Marke abhängen. Es ist jedoch immer gut, Beiträge von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zu sammeln. Es ist auch willkommen, einen Anstoß in die richtige Richtung zu bekommen, wenn es darum geht, sich Beispiele auszudenken und sich inspirieren zu lassen. Hier sind einige Bereiche und Fragen, die Marken bei der Suche nach kreativen Marketingideen in Betracht ziehen sollten:
- Markenbildung
Passt das Branding? Hebt es sich von der Konkurrenz ab? Nutzt die Landingpage kreative Elemente wie Videos, ein auffälliges Design oder sogar Bewertungen?
- Kundenerlebnis
Ist alles – aber auch wirklich alles auf den Kunden ausgerichtet? Werden Kunden die angebotenen Produkte und/oder Leistungen lediglich konsumieren oder genießen sie es sich von ihnen unterhalten lassen, weil sie mit Ihrer Marke in Berührung kommen? Weckt das flankierende kreative Marketing die Emotionen, die man wollte (desired response)?
- Content Marketing
Werden fesselnde Geschichten erzählt, die ein Publikum hören möchte. Fesselt man die Aufmerksamkeit oder handelt es sich um erstklassige, fachkundige Inhalte? Gibt es visuellen Content oder kann er visuell gestaltet werden? Geht der Content über das geschriebene Wort hinaus? Beschäftigt sich das kreative Marketing mit Videos, Podcasts, Spielen, Quizfragen, Diagrammen und vielem mehr?
- Social Media Marketing
Gibt es Daten und Personas der Zielgruppe, wenn es um soziale Plattformen geht, und ist man via Listening am Puls der sozialen Trends? Oder glaubt man das alles nur zu wissen? Werden Story-Formate kreativ eingesetzt? Werden Hashtags gesetzt und wiederkehrende Dialoge in social Media automatisiert?
- Werbung
Wir Werbung gezielt mit Daten und Tools personalisiert? Mit Hilfe von Tools kann sich ein Team auf die kreative Arbeit fokussieren und echte neue Ideen entwickeln. Schließlich ist der Werbemarkt hart umkämpft.
Wie man kreative Marketingmaßnahmen misst
Wie bei allen Aspekten eines Unternehmens ist die Messung des ROI des Pudels Kern. Damit dies auch bei kreativem Marketing gelingt, ist eine datenbasierte Strategie entscheidend, denn sie legt Ziele nicht nur fest, sondern hilft auch dabei, sie zu erreichen und zu messen. Aber wie kann man kreatives Marketing genau messen? Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) können von unschätzbarem Wert sein, wenn es darum geht, den Erfolg einer kreativen Marketingaktivität zu messen. KPIs helfen dabei, umfassende Ziele zu setzen, sie sind messbar und ermöglichen es, den Wert einer digitalen Kreativmarketingstrategie zu quantifizieren. Sie kommen im kreativen Bereich ins Spiel, da Formeln und andere traditionelle ROI-Berechnungen oft zu einfach sind. Folgende KPIs bieten sich für eine Messung an:
Umsatz - Wie viel Umsatz hat Kampagne X gebracht?
Social Reach – Wie oft wurde die Kampagne angezeigt?
Verbreitung - Wie oft wurde der Kampagnencontent geteilt?
Engagement – Wie viele Likes und Comments hat die Kampagne generiert?
Organische Suche – Wie zahlen sich die Content-Marketing-Bemühungen bei der Suche aus?
Konversionen - Führen die Aktivitäten direkt zu Verkäufen?
Website-Besuche – Steigt der Traffic?
Was muss ein erfolgreiches kreatives Content-Marketing mitbringen?
Sicher ist es nicht so einfach kreativ zu sein. Für viele Menschen ist das Wort bereits Bedrohung. Technisch versierte Mitarbeiter und analytisch veranlagte Menschen tun sich oft sehr schwer damit, Kreativität an den Tag zu legen. Damit Marketing Operations aber kreativ sein können, bedarf es eben solcher Diversität an Menschen wie auch verschiedener weiterer Pre-Requisuites wie zum Beispiel:
Struktur und Team
Um das Beste aus einem Kreativteam herauszuholen, braucht es Talent und eine Struktur, die das kreative Potenzial bestmöglich ausschöpft. Dazu gehören New Work ebenso wie klare Briefings und Schulterblick- bzw. Milestone-Meetings. Das setzt die richtigen Leitplanken für Kreative und verhindert ein Abdriften, was in der Natur kreativer Menschen liegt. Außerdem geht es um eine ausgewogene Balance zwischen interner Kreativ-Autonomie und externen Impulsen sowie Engineering Talenten. Solch ein ausbalancierter Ansatz macht es auch viel einfacher die Kontrolle über Ideen und ihren daraus abgeleiteten Output zu behalten.
Tools und Technik
Die Implementierung von Technologie und die Verfügbarkeit von Werkzeugen kann das Potenzial eines kreativen Marketings exponentiell steigern. Denn. Es geht dann um den Fokus auf die wirklich originären Ideen aus menschlichem Verstand, der als Grundlage für automatisierte Produktionen und datengetriebene Taktiken dient. Wenn ein Unternehmen in Bezug auf Technologie und Tools ein wenig im Rückstand ist, kann also ein ganzheitlicher Ansatz definitiv von Vorteil sein. Denn die Automatisierung durch Technologie kann Prozesse beschleunigen und dafür sorgen, dass ein modernes Kreativteam mehr Zeit für das hat, was wirklich zählt: Von Optimierungen der Wertschöpfung in jeder einzelnen Stufe (bis hin zum überzeugenden Angebot ;-) über Innovationsmanagement und Wachstumsimpulse bis hin zu neuen Environments für neue Wertschöpfungsquellen wie das Metaverse. Eine Möglichkeit, dies anzugehen, ist die digitale Transformation des kreativen Marketings mit einer praktikablen Engineering Strategie und einem passenden Rahmen für die Fähigkeiten und individuellen Möglichkeiten des jeweiligen Marketing- und Sales-Teams.
Fazit:
Kreativ zu sein ist im Marketing absolut unerlässlich. Heutzutage müssen Marke, Inhalte, Werbung, sozialer Output und Produkte nicht nur nebeneinander bestehen, sondern sich potenzieren und für täglich neue Wachstumsimpulse sorgen. Dabei ist und bleibt kreatives Marketing der Schlüssel. „Kreativ zu sein" ist jedoch nicht so einfach, wie es sich anhört. Sich auf eine Reise der digitalen Transformation zu begeben und sich Schritt für Schritt mit dem Einzug des Marketing Engineerings vertraut zu machen ist genauso spannend, wie die sich damit verändernde Rolle der Kreativität im Marketing zwischen Kreation, Automation und Produktion.