Wieviel Vertriebs-Arbeit und Know-How steckt in der bedarfsgerechten Zuweisung angebotener Produkte, Marken und Dienstleistung? Diese Gretchenfrage wird vermehrt vom Top Management an die Entscheider in Marketing & Vertrieb gestellt. Zurecht, oder einfach nur Ausdruck des zunehmenden Drucks auf die vertriebliche Performance?
Die Corona Pandemie war der Turbo für das Self-Service Shopping. E-Commerce und sogar Social-Commerce konnten sich durch den Digital-Zwang in häuslicher Isolation endlich etablieren. Selbst die latent vorhandene Skepsis der Preußen gegenüber Plastikgeld oder gar Mobile-Payment ist Schritt für Schritt dem damit verbundenen Komfort gewichen. Die von den Bargeld-Befürwortern befürchtete Insolvenzwelle bei Privatpersonen wegen mangelndem Überblick bei Kleinstbezahlungen über das Konto ist ebenso ausgeblieben wie der von Verschwörungstheoretikern vorhergesagte massenhafte Datenklau mit anschließendem Konto-Phishing.
Darüber hinaus sorgt die Skalierbarkeit im E-Commerce für neidische Blicke aus Richtung des stationären Handels. Mehr Umsatz hieß im tradierten Verkaufsgeschäft immer mehr Fläche, mehr Ware und vor allem mehr Verkäufer. Im E-Commerce fallen mit den Streckengeschäften, den Marktplatzvermittlern und den Chat-Bot gestützten Self-Shoppings diese limitierenden Faktoren auf der Kostenseite nahezu gänzlich weg und sorgen für exponenzielle Profitabilitätsentwicklungen. Das haben sogar die Granden des stationären Vertriebs längst kapiert und lancieren seit neustem gänzlich personalfreie Retail-Stores und Shops. Aldi hat in den Niederlanden damit begonnen, Amazon ist schon länger im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit Amazon Go und Amazon Fresh unterwegs und „Josef´s Nahkauf Box“ von Rewe spendierte erst einmal dem bayrischen Landtag eine Diskussionsrunde zur Auslegung des „Ladenschlussgesetzes“ bei solchen voll-autonomen Versorgungsläden. Der sperrige Begriff der „Versorgung“ wiederum deutet schon auf das Dilemma des Vertriebs und seiner Verkäufer hin. Denn „versorgen“ können sich mündige Bürger nun mal selbst. Das hat selbst der letzte Supply-Chain Manager mittlerweile begriffen und damit fangen Unternehmensleitungen und Vorstände an, die wahre Rolle des Vertriebs in Frage zu stellen. Zumindest dort, wo eine bedarfsgerechte Versorgung vom Vertrieb als magische und einzig umsatzbringende Verkaufskunst dargestellt wird. Soweit also zum Status Quo – aber was bedeutet das für die Rolle des Vertriebs, die sich durch diesen Wandel nun auch radikal ändert?
Wo früher Verkäufer dafür sorgten, dass Kunden begrüßt, beraten, bedient und begeistert wurden, stellt sich heute also eher der Zero Moment of Truth (ZMOT) in den Weg. Meist in Form von Empfehlungen in digitalen Netzwerken. Menschen vertrauen nun mal „Nicht-Verkäufern“ deutlich mehr als chemisch gereinigten Verkaufscracks. Wer kann das schon verübeln – auch wenn es bewusst ist, dass die ein Großteil der kursierenden Bewertungen gefälscht oder zumindest aktiv geschönt ist.
Bewertungsplattformen wie zum Holidaycheck investieren erhebliche Digital-Ressourcen in die Offenlegung solcher gefakter Bewertungen. Den letzten Plausibilitätscheck übernehmen dabei jedoch Menschen in perfektem Matching mit künstlicher Intelligenz, Daten-Ontologie und Big Data Analytics. Die Frage ist also opportun, ob vielleicht hier ein neues Betätigungsfeld für Vertriebler entsteht. Wer jetzt argumentiert, dass man die hohe Kunst des Verkaufens nicht mit der stupiden Fließband-Beurteilung einer drohenden Fake-Bewertung im Netz vergleichen kann, der liegt mitnichten richtig. Zum einen entpuppt sich der magische Feenstaub des Vertriebs bei näherem Hinsehen oftmals als schnöde Allokation wie bereits beschrieben und zum anderen ist das Katz-und-Maus Spiel zwischen Fake-Bewertern und Reco-Analysts zuweilen eine wirklich hochkomplexe Angelegenheit. Was gestern noch ein „Irregular Pattern“ war, können pakistanische Content-Creator-Kohorten schon morgen zum „Content Grundrauschen“ pivotieren. Womit die Beurteilung von Fake-Empfehlungen zur echten analytischen Herausforderung wird. Aber ist das wirklich eine neue Rolle von Vertriebs-Cracks und Verkaufstalenten?
Peter Thiel schreibt seinem Invest-Handbuch für Risikokapitalgeber und Innovationstrüffelschweinen, dass „Sales matters“. Immer und bei jedem Geschäft. Damit hat er wahrlich nicht Unrecht, denn die reine Zuweisung – also Allokation – kann bereits zu einem lohnenden Geschäft werden. Das aktive Verkaufen darüber hinaus jedoch, birgt das wahre Potenzial wachstumsstarker Geschäftsmodelle. Entwarnung also: Der Vertrieb wird weiterhin benötigt. Vielleicht sogar dringender als je zuvor. Denn spätestens, wenn die Angebote erklärungsbedürftig werden oder gar aus B2C mal B2B wird, braucht es den Aufbau von Vertrauen durch eine menschliche Stimme. Das ist Fakt und wird sich auch nicht ändern. Die Frage, die sich nur an dieser Stelle stellt, ist die Frage, wann der menschliche Kontakt nötig wird und bis wohin geschickt eingesetzte Salestech einen Interessierten zum Prospect und weiter zum Lead automatisiert und damit skalierbar konvertieren kann?
De facto gibt es eine Explosion von SaaS-basierten Vertriebstools, ähnlich der Dynamik in der Marketing-Technologie. Es geht bei SalesTech meist um die Konsolidierung von Plattformen und die Ausweitung von App-Ecosystemen um sie herum. Beispiele für plattformbasierte spezialisierte Salestech-Apps sind Troops, das Messaging-Plattformen wie Slack und Teams mit CRM-Plattformen wie HubSpot und Salesforce verbindet, und Docket, das Zoom, CRMs, Slack, Kalender und digitale Speicher tief integriert, um Meetings zu optimieren. Diese Funktionalitäten und Tools kommen aus SalesTech Schmieden, die mittlerweile Milliarden-Dollar-Bewertungen erreichen. Zu den kürzlich gekrönten "Einhörnern" in diesem Bereich gehören Outreach mit einer aktuellen Bewertung von 1,33 Milliarden Dollar und SalesLoft, mit einer Bewertung von 1,1 Milliarden Dollar. Die Nachfrage scheint also das Angebot zu treiben und dennoch birgt die Durchdringung des Marktes noch einiges an Potenzial. Führende Markt-Gurus sagen einen 5 Milliarden Dollar Markt allein in den USA für die SalesTech Anbieter voraus.
Für MarTech ist die Weiterentwicklung von SalesTech eine wunderbare Sache.
In erster Linie werden all diese digitalen Verkaufsschnittstellen phänomenale Daten zum gesamten Umsatz eines Unternehmens beitragen. Sie werden viel detailliertere Informationen darüber liefern, welche Taktiken bei welchen Kundensegmenten am besten ankommen (Next Best Action Strategie), und zwar über die gesamte Customer Journey hinweg. Dies wiederum macht es einfacher, diese Daten für die Gestaltung personalisierter Marketing- und Vertriebsmaßnahmen für diese Zielgruppen zu nutzen. So können Marketingteams viel gezielter vorgehen, und zwar viel weiter oben im Trichter.
Im B2B-Bereich wird SalesTech das Account Based Marketing (ABM) und dessen Vertrieb auf eine völlig neue Ebene heben. Die zunehmende digitale Kompetenz der Vertriebsteams - und der sie unterstützenden Vertriebsleiter - wird auch zu einer besseren Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb insgesamt führen. Die Integration von Marketing und Vertrieb wird innerhalb von MarTech- und SalesTech-Tools stattfinden, was dieser oftmals noch als Silos fungierenden Abteilungen Prozesse bescheren wird, welche nur noch gemeinsam in Teams zum Erfolg führen werden. Diese kollaborative Schnittmenge zwischen Marketing und Vertrieb ist eine treibende Kraft hinter dem Aufkommen koordinierter "Revenue Operations". Und diese Überschneidung ist nur ein Teil der Gesamtbewegung hin zu „Big Operations“, die sich zu einer der bestimmenden Trends in den Maschinenräumen des modernen Marketing und Vertriebs für das kommende Jahrzehnt entwickeln wird.
Die aktuelle SalesTech Landschaft unterscheidet zwischen Automatisierung des Opportunity Managements sowie dem Sales Enablement mit Tools, welche die Effizienz und den Erfolg von Vertriebsteams steigern. Vertriebsteams, die ein einheitliches Kundenerlebnis bieten möchten, sollten sicherstellen, dass Automatisierungs- und Enablement-Technologien ihre Marketingstrategien nahtlos unterstützen. Dazu kommt der beschriebene, allgegenwärtige Wandel, der Vertriebler zwingt schneller und effizienter zu verkaufen. SalesTech kann dabei zur Geheimwaffe werden, um Leads hoch-performant zu konvertieren. Tools, die einen kundenorientierten Ansatz unterstützen, stellen beispielsweise sicher, dass die Vertriebsmitarbeiter über die nötigen Erkenntnisse verfügen, um ein personalisiertes Kundenerlebnis zu bieten. Mit einem klaren Einblick in Trenddaten (die bestenfalls auf Echtzeitinformationen beruhen) kann ein versierter Vertrieb das Kaufpotenzial eines Leads sicher und schnell einschätzen und nächste Schritte in der Vertriebsstrategie entsprechend individuell anpassen.
Obwohl SalesTech viele Vorteile bietet, ist die Zusammenstellung eines entsprechenden Techstacks zur wahren Herausforderung geworden. Die Anbieter sind vielzählig und deren eigene Vertriebsstrategien durchaus effektiv. Grundsätzlich gehört jedoch zum einem SalesTech Stack folgende Tools:
Kundenbeziehungsmanagement-System (CRM)
Ein CRM ist unverzichtbar. Ein CRM ist die Heimatbasis für die Vertriebstechnologie eines Unternehmens, da es alle Interessenten-, Lead- und Kundendaten in einer zentralen Datenbank speichert. Durch die konsequente Verfolgung jeglicher Interaktionen können Next-Best-ActionStrategie automatisiert und ROIs treffsicher prognostiziert werden.
Tools zur Lead-Anreicherung
Die Lead Prospektierung kann unglaublich viel Ressourcen kosten, da es unglaublich schwierig und zeitaufwändig sein kann, herauszufinden, wer tatsächlich hinter einer Interaktion oder einem Trigger steckt. Tools zur Lead-Anreicherung helfen deshalb, mehr über potenzielle Kunden zu erfahren. Solche Enrichment-Tools ziehen Daten, demografische Informationen, soziales Verhalten und vieles mehr aus verschiedenen Quellen und verschaffen so ein ganzheitliches Verständnis des anvisierten Prospects. Sio stellt man sicher, dass Vertriebler im Opportunity Management Leads übermittelt bekommen, die tatsächlich den Wunsch haben etwas zu kaufen.
Sales Enablement
Ungefähr ein Drittel moderner Vertriebsaktivitäten kann automatisiert werden. Das schließt Aufgabenmanagement, E-Mail-Sequenzierung und das Verfassen zwingender Angebote ein. SalesTech kann diese Aufgaben automatisieren und so die Produktivität und Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen signifikant verbessern.
Customer Experience
Hier geht es um personalisierte Kundenerlebnisse, welche die Konversionsrate nachweislich steigern. Je größer das Wissen über Kunden, desto einfacher wird der Verkauf. SalesTech-Tools sind eine hervorragende Möglichkeit, Customer Journeys aus der Perspektive von Kunden zu betrachten. Das schafft ein umfassendes Verständnis für Bedürfnisse und Wünsche, was wiederum zur Allokation führt. Und nichts ist einfacher als das!
Terminplanung und Routing-Systeme
Kunden kaufen eher von Anbietern, die sie nach dem ersten Kontakt schnell zurück kontaktieren. Mit Tools für die Vertriebsplanung erstellt man Kalender, Regeln und Routing-Optionen, so dass man Kunden automatisiert mit einem Vertriebler verbindet. Kunden können z.B. verfügbare Termine in einem zentralen Kalender auswählen und erhalten nach der Anmeldung eine Bestätigungs-E-Mail. Solche SalesTech-Tools ersparen viel Zeit bei der E-Mail-Verwaltung und tragen dazu bei, einen guten ersten Eindruck bei potenziellen Kunden zu hinterlassen.
Interne Kommunikation und Collaboration Tools
SalesTech kann helfen die interne Kommunikation, Zusammenarbeit und Abläufe zu verbessern. Mit Slack, Teams & Co können Vertriebsmitarbeiter sofortige Kunden-/Chancen-Updates und Feedback asynchron austauschen, Auf diese Weise bleibt der Vertrieb in Bezug auf Fristen, Geschäftsdetails, kritische nächste Schritte oder Nachrichten für die nächste Besprechung auf dem Laufenden und sorgt für einen besseren durchgängigen Vertriebsprozess. Funktionen wie Videokonferenzen und Projektmanagement ergänzen diese internen Prozesse und fördern die Kommunikations- und Kollaborations-Konnektivität innerhalb des Vertriebs.
SalesTech Plattformen
Der schnellste Weg zu einem Geschäftsabschluss ist eine Allokation. Die dafür nötige Vorarbeit bei der Bedarfsweckung kann jedoch schwierig sein, wenn TechStacks nicht reibungslos daten austauschen können und/oder die Workflows nicht sorgsam geplant sind. Eine robuste Lösung für dieses Problem sind ganzheiltliche SalesTech Systeme, Portale und Plattformen wie Salesforce, Hubspot, Eloqua oder ähnliche. Solche SalesTech Suites helfen dem Vertrieb effizienter zu arbeiten, indem sie alle wichtigen Details und Ressourcen an einem Ort zusammenfassen und Kundeninformationen und -einblicke in Echtzeit verfolgen. Dies verbessert die Arbeitsabläufe und erleichtert die Aufrechterhaltung konsistenter, aussagekräftiger Interaktionen von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Implementierung nach dem Verkauf und zum Kundenerfolg.
Mit SalesTech den richtigen Vertrieb ankurbeln!
Die Vorteile von SalesTech liegen auf der Hand. Aber nur, wenn der Unterschied von Vertrieb und Allokation bewusst ist und die eingesetzte SalesTech vom Vertrieb auch vollumfänglich genutzt wird. Dazu gelten folgende Anfoderungen für eine erfolgreiche Nutzung von SalesTech:
- Investments in Technologie erfordern zeitgleich Investments in Menschen – SalesTech ersetzt keine Vertriebsmitarbeiter, sondern macht sie schneller und effizienter in den entscheidenden Prozessen. Voraussetzung ist also ein umfassendes Bild der täglichen Aktivitäten im Vertrieb, um die effektivsten Tools zu ermitteln und herauszufinden, wie die richtige Technologie die individuelle Vertriebstätigkeit erleichtern kann.
- Automatisierung ist nicht immer die Antwort. Manche Interaktionen brauchen eine authentische menschliche Stimme. Generische E-Mails und Nachrichten in sozialen Medien schaden dem Vertrauen und der Markentreue. Stattdessen sind sich wiederholende, mühsame Aufgaben der richtige Playground für SalesTech Automationen. Hiermit werden Ressourcen für eine bessere Customer Experience geschaffen
- Was nützen Kundendaten und Feedback, wenn sie nicht genutzt werden? Datendisziplin und Analytics von Erkenntnissen (z. B. Käuferstimmung, Konversionsrate, Pipeline-Geschwindigkeit usw.) sorgen für eine formalisierte SalesTech-Strategie auf Basis von Best Practices. Das gilt natürlich auch für Trends und neue Tools, die automatisch einen Prozess-Review auslösen sollte.
Wer von der Allokation zum echten Vertrieb konvertieren will, sollte MarTech und SalesTech als eine Einheit betrachten. Ferner können SalesTech Tools maßgeblich dazu beitragen Interessenten durch automatisierte Vertriebs- und Marketingfunnels zu bewegen.
Das Budget, die Ziele, die Branche, die Größe und der Arbeitsumfang eines Vertriebsteams haben Einfluss auf die Auswahl von Vertriebstechnologie Instrumenten und diese vier Basis-Faktoren sollte man bei der Einführung von SalesTech berücksichtigen:
- Schnittstellen mit bestehenden Systemen
- Benutzerfreundlichkeit
- Es sollte eine Single Source of Truth geben (zentrale Database)
- Automatisiertes Tracking und Weitergeben von Schlüsseldaten
Grundsätzlich gilt, nicht einfach auf einer Welle mitschwimmen zu wollen, wenn es um SalesTech geht. Stattdessen ist es unerlässlich einen möglichen SalesTech Stack strategisch, methodisch und individuell für das jeweilige Unternehmen zu planen. Nur so entwickelt sich eine tradierte Allokationsmaschinerie zu einer echten Hochleistungs-Vertriebswaffe.