Ob Marketing, Vertrieb, Einkauf oder IT: Das Engineering von Prozessen in Marketing und Vertrieb erfordert nicht nur neue fachliche Fähigkeiten. Die Rollen, Verantwortlichkeiten und vor allem Aufgaben erfordern neue Perspektiven, Positionen und Profile. Und auch auf der Seite der Dienstleister ändern sich die Job-Descriptions radikal. Das tut weh, ist aber unumgänglich.
New Work mal anders definiert
Tatsächlich geht es weniger um Freiheit, Selbständigkeit und Teilhabe an der Gemeinschaft oder auch neue Arbeitsformen wie Freelancing, ein 6-Stunden-Tag oder kollaboratives Arbeiten im Coworking-Space. Das sind nur die formellen Auswirkungen sich wandelnder Rollen in Marketing und Vertrieb. Die eigentlichen Herausforderungen liegen viel tiefer: in den Abgründen unser aller Komfortzonen gut versteckt, sowie gehegt und gepflegt. Es ist nämlich tief in uns verankert, dass wir uns nur ungern verändern, wenn es gerade läuft. Dabei biegen wir auch gern die Perspektive, wenn es um den Blick in die Zukunft geht, „Wird schon“ – „das passt doch gerade prima“ – und vor allem „was gestern ging, wird morgen auch gehen“ sind die typischen Positionsbestimmungen, wenn es ans Eingemachte geht. Und zugegeben, in wirklich großen Organisationen an der Spitze der ökonomischen Nahrungskette gewinnt tatsächlich derjenige, der am wenigsten Fehler macht. Was wiederum clevere Mittelmanager oftmals mit Stillstand verwechseln, denn wer nichts tut, macht auch definitiv keine Fehler. Das kann sogar tatsächlich gut gehen, Aber wie gesagt, nur in marktführender, bestenfalls monopolistischer Marktposition. Für alle anderen Unternehmen gilt: Mut zu MarTech sticht Mammon. Was wiederum zum beschriebenen tiefgreifenden Wandel bei den Mitarbeitern führt, die solche Marketing Technologie TechStacks bedienen sollen.
Zwischen Fähigkeit und Können.
Wandel ist für den einzelnen Menschen deshalb so schwierig, weil es im Normalfall auf unbekanntes Terrain geht. Da spielt nicht nur die Verunsicherung, Fehler zu produzieren eine große Rolle, Auch die selbst zugeschriebenen Fähigkeiten und das „Können“ werden zu Stolpersteinen, wenn das Selbstbewusstsein nicht groß genug ist. Insbesondere auf der operativen Fachabteilungsebene gibt es einen großen Anteil an Fachkräften, die ihre täglichen Aufgaben im Marketing nur so lange eloquent meistern, wie es genau um die Mechaniken und Wirkweisen geht, die gelernt und hundertfach wiederholt worden sind. Sobald neue Technologie eine solche Spielfläche betritt, herrscht größte Unsicherheit, die häufig zum Power-Stress Syndrom oder dessen Gegenteil der Apathie führt. Man traut es sich halt selbst nicht zu, diese ganzen neuen Routinen zu erlernen, was entweder zur wahrgenommenen Perma-Überforderung (Power-Stress) oder zur kompletten Aufgabe (Apathie) führt. Umso wichtiger ist also der behutsame Umgang mit allen am Transformationsprozess Beteiligten und eine schrittweise Einführung von Technologie, die nach und nach wiederkehrende Arbeitsprozesse automatisiert. Oder mal ganz plastisch ausgedrückt: Die Umstellung von einem Mobile Phone auf das erste, smarte Iphone war zumindest in den ersten drei Monaten eine echte Herausforderung, oder? Stellt man sich jetzt vor, zeitgleich hätte man auf Ipad, MacBook IOS und Cloud basierte SAAS umstellen müssen, wäre jeder von uns maßlos überfordert gewesen. Genauso so verhält es sich mit den neuen Rollen, die transformierte Operations erfordern. In kleinen Schlückchen ist so ein Prozess eben viel verdaulicher.
Die Geheimwaffe der Stakeholder Alignment Matrix
Nicht nur für operative Fachkräfte ist ein Wandel eine echte Challenge. Auch alle anderen „betroffenen“ kämpfen mit der unbequemen Notwendigkeit die Komfortzone zu verlassen. Am meisten Auswirkungen hat das bei Vorgesetzten und Entscheidern auf höherer Ebene. Hier kann Stress oder auch Apathie dazu führen, dass ganze Unternehmensstrategien zum Scheitern verurteilt werden. Umso wichtiger ist eine zielgerichtete und individuelle Kommunikation mit allen beteiligten Stakeholdern, auch wenn das zunächst wie eine unlösbare Sisyphusarbeit klingt, Eine echte Geheimwaffe für solch eine Kommunikationstaktik ist eine Stakeholder Alignement Matrix. Hier werden zunächst alle Beteiligten am Transformationsprozess identifiziert und in „Zielgruppen“ segmentiert.
Existenziell wichtig ist die Erkenntnis, welche „Sponsoren“ für Transformationsprozesse wo genau verortet sind und wie man deren Sponsoring tatkräftig unterstützen kann. Dabei spielen oftmals auf den oberen Etagen die menschlich-emotionalen Antriebe zwischen Neid, Gier, Eifersucht und Eitelkeit wesentliche Rollen. Peer-Group-Druck in der richtigen Dosierung und von den richtigen Influencern zielgerichtet eingesetzt, kann zu einem echten Turbo bei der Freigabe von Ressourcen für Transformationsprojekte werden. Allein aus diesem Grund heraus sind einige hoch erfolgreiche Konsortialunternehmen und Kollaborationen mit Beteiligung notabler Silicon Valley Tech-Giganten entstanden. Hier weiß man längst, wie man Großes erreichen kann und die dazu nötigen Ressourcen an Talent und Geld zusammen bekommt: Sponsoren kennen, zielgerichtet unterstützen und schon ist man auf dem Wachstums-Highway unterwegs.
Die zweite Gruppe in der Alignment Matrix bilden die Advocates und Agents bzw. Opinion Leader und Influencer auf Fachebene. Insbesondere die Advocates, oftmals externe Dienstleister bezüglich Kreation, Produktion und Media, aber auch Legal, Compliance sowie die Fachpresse können für erstaunliche Hebelwirkungen durch Lobbyarbeit sorgen. Das gilt für die Motivation genauso wie für die Demotivation in Gegenrichtung. Stellt sich die Leadagentur auf die Hinterbeine, weil margenträchtige Einkommen verloren zu gehendrohen, kann das einen Transformationsprozess zur automatisierten Werbemittelproduktion komplett ausbremsen. Ähnliche Wirkungen haben rechtliche Bedenken an der falschen Stelle und natürlich die Meinung der Fachpresse, womit wir wieder bei Neid, Gier, Eifersucht und Eitelkeit wären. Was die Peer-Group für den Vorstand ist, das sind die Opinion Leader und internen Influencer für die eigentliche Fachkraft, welche dann die ganze Wucht der Veränderung im täglichen Leben zu spüren bekommt. Ein besonderes Auge gilt dabei immer dem Vertrieb, denn dort sind Veränderungsvorhaben im Normalfall gleichzusetzen mit einem Spießrutenlauf im Minenfeld. Diese „Zielgruppe“ ist trainiert darauf, „Ausreden“ zu finden, um etwas nicht zu tun, statt Lösungen zu suchen, um etwas Neues möglich zu machen.
Dazu kommt das ständige Damoklesschwert über den Medusenköpfen des Vertriebs, die so gut gehegte Aura des magischen „Rainmakings“ als Vertrieb zu verlieren. Transparenz in den Prozessen ist nun mal der natürliche Feind des erfahrenen Vertrieblers. Umso wichtiger ist hier, die Kollegen nicht nur auf die Reise zu neuen Ufern mitzunehmen, sondern gleichzeitig die Chancen auf mehr Ruhm, Sexyness und Reichtum durch eine erfolgreiche digitale Transformation hin zu ausgeklügelter MarTech und SalesTech aufzuzeigen. CRM-Tools, welche die Vertriebs-Arbeitsabläufe systematisieren. Und dabei nicht mehr gebührend zwischen persönlichem Intrabounding und dem marketinginitiierten Out- und Inbounding unterscheiden, sind dabei noch die kleinste Hürde. Spätestens, wenn Graph-basierte Market Intelligence den Großteil eines Erfolges im Vertrieb als Allokation entlarvt, kann ein Automatisionsprojekt im Sales zum echten Rodeo werden. Wer dann länger als acht Sekunden oben bleibt, dem gebührt echter Respekt.
Alle diese Mitspieler wollen als individuell angesprochen und mitgenommen werden. Den Kommunikationsplan dazu liefert die Stakeholder Alignment Matrix.
Anhand dieses Plans werden die Stakeholder benannt, ihr Support für die anstehenden Transformationsprojekte eingeschätzt und dezidiert beschrieben, wie und mit welchem Mittel deren optimaler Beitrag erreicht werden kann. Dazu gehören die jeweiligen Kommunikationsbedürfnisse, eine umarmende Beteiligungsstrategie und natürlich eine Taktik, um kontinuierlich das Engagement der Beteiligten zu verbessern. Zugegeben ist es eine recht stupide Hausaufgabe für erfahrene Marketing-Manager, die einzig ein wenig Empathie und das Talent Resonanzböden zu erkennen erfordert. Diese Skills sind aber quasi in der DNA von modernen Marketers fest verankert.
Fakt ist, dass diese Hausaufgaben am Anfang jeder Transformation das spätere Ergebnis maßgeblich beeinflussen. Denn wer gut informiert auf eine Reise ins neue Unbekannte mitgenommen wird, findet viel schneller und oftmals von selbst in seine neue Rolle innerhalb technologiegestützter Operations. Ob IT-Experten, die zu Schnittstellenmanagern werden – ob Vertriebler, die ihre Bestimmung als Sales Development Representatives finden – ob Einkäufer, die ihre Brillen ablegen und auf ganzheitliche, digitale Lieferketten blicken oder schlussendlich auch Marketing-Manager, die zu Marketing Engineers werden. Diese neuen Rollen sind unumgänglich. Ihre Besetzung mit neuen Leuten oder dem bestehendem Personalstamm jedoch ist eine Frage des flankierenden Change Managements bzw. dem damit erzielten Stakeholder Alignment.