Segmentieren war gestern und Personas sind eigentlich auch nicht mehr ganz State-of-the-Art. Denn wenn man schon Kundendaten hat, sollte man auch wirklich deren Potenzial ausschöpfen, soweit es geht. Aber was heißt das konkret? Und welche Tools braucht es im Maschinenraum modernen Marketings konkret dafür?
Kundendaten sind das Öl des Marketing Engineers!
Fakt ist, dass Daten nicht nur das Öl im Maschinenraum modernen Marketings sind, sondern auch deren Verfügbarkeit exponentiell zugenommen hat. Während 1987 eine Volkzählung noch zu Massenprotesten und einer Verfassungsklage führte, die wiederum im sogenannten 'Volkszählungsurteil' erstmals das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" etablierte. Die Verfassungsrichter und Verfassungsrichterinnen leiteten das Recht aus den beiden ersten Artikeln des Grundgesetzes (allgemeines Persönlichkeitsrecht) ab: Die Menschwürde und das Grundrecht auf freier Entfaltung der Persönlichkeit. Damit gewährte das Bundesverfassungsgericht jedem Menschen grundsätzlich das Recht, selbst darüber entscheiden zu dürfen, wer Daten von ihm erhebt, speichert, verwendet und weitergibt. Eingeschränkt werden darf dieses Recht laut Urteil nur zugunsten eines überwiegenden Allgemeininteresses. Oder man fragt um Einverständnis und Erlaubnis, was wiederum zum Usus im Netz geworden ist und heute für eine explosionsartige Zunahme der Datenmenge, die freiwillig von Konsumenten an Unternehmen übermittelt werden, gesorgt hat: Von Daten, die durch Website-Besuche erzeugt werden, über Verkaufsdaten aus operativen Kassen-/Mid-Office- und ERP-Systemen bis hin zu externen Daten, die man als Third Party Data „noch“ kostenpflichtig erwerben kann oder als First Party Data vom User selbst gegen eine gewünschte Information bekommt - Daten sind überall und deren Quellen sprießen nur so aus dem Boden, insbesondere mit dem rasenden Wachstum des Internets der Dinge (IoT). Nun geht es also darum, wie Unternehmen die so gewonnenen Daten nutzen können, um das Leben ihrer Kunden zu verbessern und Effizienzsteigerungen und natürlich höhere Profitabilität zu erzielen.
Daten zur Entwicklung eines Angebotes nutzen
Der erste Bereich, in dem Daten Unternehmen helfen können, ist die Entwicklung von Dienstleistungs- und Produktangeboten. Auch wenn wir hier über künftige Entwicklungen bei der Datennutzung sprechen, ist dies ein Bereich, über den die meisten Unternehmen bereits eine Menge Daten besitzen. Jedes operative am Markt handelnde Unternehmen verfügt in seinen internen Systemen über Daten, aus denen hervorgeht, welche Produkte am beliebtesten sind, welche am rentabelsten sind und welche Dinge die Konsumenten in der Regel zusammen kaufen. Man muss dann nur etwas Zeit mit der Analyse dieser Daten verbringen, um herauszufinden, welche Produkte eingestellt werden sollten, welche gepflegt werden sollten und welche zukünftigen Entwicklungen sinnvoll sein könnten. Und diese Entwicklungen müssen nicht weltbewegend oder massiv innovativ sein. Es reicht schon aus, zu ermitteln, welche Produkte Kunden typischerweise zusammen kaufen, und dann Bündel, Upsells oder Cross-Sells zu entwickeln, die den Käufer eines Artikels zum Kauf eines zweiten verleiten. Wie bereits in den Blogs zuvor beschrieben, ist die Effizienz und Performance-Ratio bei Up- und Cross-Sells unschlagbar hoch. Es lohnt hier also immer ein Blick auf die bestehenden Daten und deren Entwicklung, wofür noch nicht einmal komplexe Daten Analytics Tools, sondern einfache Analysen auf Basis relationaler Datenbanken können hier schon für echte „low hanging fruits“ sorgen, die es zu bergen gilt. Neben diesen Quick Wins kann man aber natürlich auch einen Schritt weiter gehen, so dass ein tiefes Verständnis des Kundenverhaltens dazu führt, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die einen Bedarf decken, der noch gar nicht erkannt wurde. Also gilt: Datenanalyse der bestehenden Daten sollte fest im Marketing-Plan eines jeden Unternehmens verankert sein.
Marketing heißt heute: Testen
Einer der am meisten missverstandenen Aspekte des Marketings ist die Annahme, man könne einen Ansatz wählen, ihn auf ein Unternehmen anwenden und er würde sofort funktionieren. Das stimmt zwar manchmal, aber in den meisten Fällen ähnelt das Marketing eher einer Wissenschaft, bei der man eine Hypothese aufstellt, sie testet, die Ergebnisse analysiert, seinen Ansatz überarbeitet und dann erneut testet. Zumindest im digitalen Marketing hat sich dieser Workaround weitgehend etabliert. Aber all dies ist ohne Zugang zu den entsprechend dafür benötigten Daten nicht möglich. Aus diesem Grund verfügen Marketing Automation Tools und Suites oftmals über A/B-Testing-Optionen, mit denen Landing Pages, E-Mails und Anmeldeformulare gegeneinander getestet werden können, so wie es Standalone Tools wie Kameleoon & Co auch bieten. Einer der neusten Player auf dem Social Advertising Markt ist Mentum.AI aus Litauen. Mit deren Tool kann man hunderte von Social Ads per KI variieren und automatisiert gegeneinander testen. Es können also Daten über die Variationen gesammelt, Änderungen vorgenommen und dann neue Daten über die Auswirkungen dieser Änderungen gesammelt werden. Beim Interpretieren helfen Tools wie Contentsquare, mixpane, Tealium & Co bis hin zur Track Ad All-in-one Suite. Wer aber dann glaubt, dass ein Marketingansatz adaptierbar ist, der bei einem Teil der Zielkunden gut funktioniert, der liegt falsch. Schließlich ist das Ganze eine neverending Story und man hat neben regionalen oder gar lokalen Eigenheiten auch den jeweiligen Zeitgeist zu berücksichtigen. Testing ist also eine fixe Komponente eines jeden Marketing-Plans.
Daten nutzen, um Kunden wirklich zu verstehen!
Die Fähigkeit, den Kunden wirklich zu verstehen, ist das Nirwana des Marketings für jedes Unternehmen, und Daten geben die Möglichkeit, dies zu erreichen. Tiefgreifende Einblicke in die Kundenstruktur können helfen, Kunden besser zu betreuen, die wertvollsten Kunden zu belohnen, verlorene Kunden zurückzugewinnen und Echtzeit-Feedback zu erhalten, um das After Sales Serviceniveau zu optimieren. Wie schon im ersten Band „Marketing Engineering“ im Thema „Closed Loop Marketing“ beschrieben, schließt sich also hier der Kreis. Insbesondere Reputation Management Tools wie Retamo und Co helfen hier, Reviews und Recommendations am Zero Moment of Truth besser zu verstehen bzw. optimal zu analysieren.
Dazu kommen Daten aus Transaktionssystemen sowie aus Loyalty-Programmen. Spätestens hier kann man recht gut quantifizieren, wie wertvoll Kunden über den gesamten Customer Lifetime Value hinweg sind und wo der Unterschied zwischen einem Direct-to-Customer Online Kunden, einem Telefonbesteller und einem Retail- bzw. Marketplace-Kunden liegt. Die Datenanalyse in Echtzeit ermöglicht es Unternehmen flexibel auf veränderte Anforderungen zu reagieren, auf auftretende Probleme einzugehen und auf Aktivitäten der Konkurrenz zu reagieren. Hier mutiert die Datenanalyse dann auch recht schnell zur Business Intelligence, denn Kunden Verständnis ist einer der wichtigsten strategischen Kernpunkte eines Unternehmens. Allerdings ist die Makroebene der Datenanalyse herausfordernd und komplex, so dass nur wie bereits beschrieben Graph Neural Networks Antworten dazu geben können.
Data Journey
Bei der Segmentierung sowie Personas fängt also die Reise in die Datenanalyse erst an. Zunächst geht um ein Verständnis darüber, welche Informationen man hat und was man daraus für Schlüsse ziehen kann. Man weiß also zu Beginn nicht, was wichtig ist. Deshalb tauchen dann bei den weiteren Schritten zur Datenanalyse oftmals Erkenntnisse an Stellen auf, die schlichtweg nicht zu erwarten waren. Spätestens dann gilt es auf die Datenqualität zu achten. Es gilt, den Daten auf den Grund zu gehen, um sicherzustellen, dass das, was man sieht, korrekt ist. Im nächsten Schritt geht es um die Zusammenführung von Daten und deren Beziehungen untereinander. Das ist zugeben eine echte Fleißarbeit und eine der komplexesten Herausforderungen, denn die meisten Unternehmen sammeln Daten in virtuellen Silos. Spätestens wenn Website Individualisierung per First-Party Data Log-In nicht mit dem Newsletter Tool verbunden ist, kann es peinlich werden. Wo eben noch Gender-konforme Produkte angezeigt wurden, ist beim Email-Newsletter das Geschlecht beim Datentransfer nicht mitgekommen und schon werden die falschen Produkte angeboten. Getrennte CRM-Systeme, Buchhaltungssysteme, E-Mails, Websites und natürlich Hunderte von Excel-Tabellen sind oftmals die Regel. Und genau genommen sind damit solche Unternehmen auch fast nicht in der Lage, Kundendaten zu löschen, wenn sie nach der Datenschutz-Grundverordnung dazu aufgefordert würden, weil sie schlichtweg nicht wissen, wo diese Daten sind. Übrigens: Wer dieses Problem tatsächlich hat: Privapi kann helfen!
Die Datenanalyse bleibt also eine sehr spezielle Aufgabe, und wenn Unternehmen groß genug sind, lohnt es sich, Datenanalysten für die Arbeit an Ihren Systemen einzustellen. Ist dies nicht der Fall, gibt es viele freiberufliche Data Scientists, die man für bestimmte Projekte unter Vertrag nehmen oder auf Honorarbasis engagieren kann.
Vorsicht bei standardisierten Dashboards!
Hier ist Vorsicht geboten. Es ist nicht immer möglich, die Daten zu den Dingen zu finden, die man ändern möchte. Deshalb verzerren Dashboards gern die Realität. Server Side Tracking ist die Lösung. Muss sich aber lohnen!
Sobald an also die richtigen Daten in der richtigen Form vorliegen hat, kann man damit beginnen die "Was wäre wenn"-Fragen zu stellen. Und genau hier beginnt die Datenanalyse, einen echten Mehrwert für ein Unternehmen zu schaffen. Fragen wie "Was passiert, wenn ich 10 % mehr Besucher auf meine Website bekomme", "Was passiert, wenn ich 5 % mehr Anrufe tätige" oder "Was passiert, wenn ich 20 % der verlorenen Kunden zurückgewinnen kann" haben das Potenzial, die Vertriebsfunktion des Unternehmens zu verändern. Und auch der alte Grundsatz von „Die falschen Fragen gibt es nicht“ hat hier Gültigkeit. Denn man wird immer etwas lernen, was es gilt zu überarbeiten und neu zu testen, wenn man bei der Datenanalyse Fragen stellt.
Fazit: Daten sind zur Genüge vorhanden - machen Sie sie zu Ihrem Vorteil!
Ganz gleich, ob es sich dabei um Daten aus dem Buchhaltungssystem, dem E-Commerce- oder aus operativen Systemen handelt – Daten sind immer vorhanden! Die richtige Nutzung dieser Daten ist weitgehend eine Frage der Entscheidung, Ergebnisse man erzielen will. Möglicherweise müssen neue Systeme eingerichtet werden, um zusätzliche Daten zu sammeln. Aber solange diese genau und effizient automatisiert sind, wird es sich lohnen. Eine umfassende Datenanalyse verschafft jedem Unternehmen Mehrwerte, indem man damit die durchschnittlichen Ausgaben von Kunden erhöht sowie ein besseres Einkaufserlebnis schafft, das zu einer besseren Kundenbindung und häufigeren Käufen führt. Entscheidend ist, dass man anfängt, Datenanalysen als unschätzbar wertvollen Ratgeber zu akzeptieren und Datenanalysen in den täglichen Marketingprozess konsequent zu integrieren.